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Nachtruhestörung

Wollen Sie wissen, wie man ein vierstöckiges Mietshaus in ein Irrenhaus verwandelt? Nichts einfacher als das!

Sie gehen dazu in ein Musikgeschäft und kaufen sich eine Trompete. Falls Sie dieses Instrument nicht beherrschen, machen Sie sich keine Sorgen, sondern kaufen Sie sich einfach zusätzlich einen Trompetenlehrgang. Tragen Sie Ihre Einkäufe dann nach Hause und beginnen Sie kurz vor 20 Uhr mit dem Üben.

Schon nach wenigen Minuten zeigen sich die ersten Reaktionen. Ihr Nachbar zur rechten Seite, ein eigentlich musikalischer Mensch, wird durch Ihre Klänge daran erinnert, dass er schon lange nicht mehr Saxophon gespielt hat. Er kann der Lust, es wieder einmal zu probieren, nicht widerstehen und schon stimmt er in Ihr Konzert mit ein. Ihr Nachbar auf der linken Seite, durch die Musik aus seinem Nickerchen geweckt und wieder munter, denkt sich, dass die Zeit günstig wäre, endlich die lange fälligen Bohrarbeiten zu erledigen, zumal das seine Nachbarn momentan bestimmt nicht stören würde.

Ihr Nachbar über Ihnen geniesst gerade seinen neusten Schallplattenkauf. Da er aber wegen des Bohrlärms nicht mehr alles hören kann, dreht er den Lautstärkeregler sechs Stufen höher, was seinen linken Nachbarn, der sich keine Stereoanlage leisten kann, dazu veranlasst, wieder einmal ein paar Freunde einzuladen und eine Tanzparty zu veranstalten. Beim Nachbarn zur rechten Seite vom Schallplattenhörer flimmert ein Action-Film mit wilden Verfolgungsjagden über den Bildschirm. Da er die geistreichen Dialoge zwischen den Verfolgungsjagden nicht mehr verstehen kann, stellt er seinen Fernseher auf volle Lautstärke.

Ein Stockwerk höher lebt ein junges Paar, das durch das Sirenengeheul und den Rhythmus der Musik in der unteren Etage etwas genervt ist. Ihre Diskussion entwickelt sich dadurch schnell zum lebhaften Gespräch, ein Wort ergibt das andere, und die beiden schreien sich schliesslich an. Der sensible Hund der Nachbarin rechts neben dem jungen Paar wird durch den Streit aufgeschreckt und beginnt aufgeregt zu bellen, während das Baby von der Familie zu ihrer linken Seite aufwacht und nach seiner Mutter schreit.

Im vierten Stockwerk schliesslich hört der alte Papagei diese vielen Geräusche und versucht, sie alle nachzuahmen, was ihm äusserst erfolgreich gelingt. Jetzt bekommt auch der Hauswart die ganze Geräuschkulisse mit. Diesen Lärm kann er in seinem Haus natürlich keinesfalls dulden. Er wird wütend, weil die Mieter sich nicht an die Hausordnung halten, welche besagt, dass nach 20 Uhr weder musiziert noch sonst irgendwelche Lärm erzeugenden Tätigkeiten ausgeübt werden dürfen. Deshalb stürmt er aus seiner Wohnung und klingelt zuerst an der Nachbarswohnung. Doch da der Besitzer des Papageis ausgeflogen ist, wird ihm nicht geöffnet.

Noch etwas wütender rast er ein Stockwerk tiefer und hämmert beim jungen Paar gegen die Türe. Die Frau reisst sie auf und der Hauswart, mit Zornesröte im Gesicht, macht seiner Empörung Luft. Die junge Frau lässt sich das nicht gefallen und schreit nun nicht mehr ihren Mann an, sondern den Hauswart. Das wiederum weckt die Neugier der Hundebesitzerin in der rechten Wohnung. Sie gesellt sich zu den zwei Streitenden und ergreift Partei für den Hauswart. Die Eltern des schreienden Kindes stossen kurz darauf auch dazu und diskutieren heftig mit.

Die Diskussion erreicht einen Lärmpegel, der in der zweiten Etage gehört wird. Die Mieter vom zweiten Stockwerk und die Gäste der Tanzparty treten fast gleichzeitig aus ihren Wohnungen, um zu sehen, was im Treppenhaus geschieht. Sie bleiben nicht lange unparteiisch und lärmen ihre Kommentare hinauf ins dritte Stockwerk, was wiederum Ihren saxophonspielenden Nachbarn aufmerksam macht.

Dieser schreit ebenfalls nach oben, um zu erfahren, was da im Treppenhaus vor sich geht. Diese Frage dringt sogar bis zu Ihrem bohrenden Nachbarn. Er unterbricht seine Arbeit und nach kurzem Zuhören steuert auch er seinen Teil zum Streit bei.

Sie hingegen habe Ihre Trompete schon längst wieder in den Koffer gelegt und verfolgen nun genussvoll das Tohuwabohu im Treppenhaus, bevor sie das Irrenhaus anrufen. Die Pfleger der Anstalt sind schnell zur Stelle und packen Ihre Nachbarn noch schneller in Zwangsjacken. Endlich haben Sie Ihre Ruhe!

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